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Scharfe Texte?

Ich habe Schreiben tatsächlich durch Schreiben gelernt. Wenn ich heute meine ersten Texte lese, erkenne ich zwar durchaus meinen eigenen Tonfall, aber das viele sonderbare Drumherum trübt den Blick.

Es fehlte die Schärfe. Von der möchte ich euch heute etwas erzählen.

Ich will dabei nicht klingen wie ein Schreibratgeber. Davon gibt es viele und viele sind sehr gut und inspirierend. Ich will euch einfach nur erzählen, wie mein persönlicher Weg zum scharfen Text war.

Vorab: Es gibt Regeln für Texte. Menschen, die viel lesen, kennen diese meistens schon intuitiv. Deswegen ist Lesen wirklich gut fürs Schreiben.

Falls in einem Liebesroman plötzlich keulenschwingende Orks auftauchen, kann das schnell zu Verstimmungen bei den LeserInnen führen. Auch mitten im Roman versterbende Helden sind eher ungünstig. Bei mir wird einfach grundsätzlich sehr wenig gestorben, da bin ich auf der sicheren Seite. Held und Heldin sollten nicht zu lange getrennt sein und sich nicht erst auf den letzten 100 Seiten kennenlernen.

Zeig es, erzähl es nicht!

Um das gut hinzubekommen, muss ich den Hintergrund meiner Figuren wirklich kennen. Vieles darf dabei ganz beiläufig geschehen oder gefühlt werden, der Leser wird es trotzdem wahrnehmen. Ich nehme dafür keinen Holzhammer. Manchmal reicht ein kleiner halber Satz, um eine Information einzustreuen.

Während des Schreibprozesses erstelle ich für jede meiner Figuren einen kompletten Lebenslauf. Ich gebe zu, dass es verführerisch ist, meine Leser mit all diesen Informationen zu überhäufen, aber Infodump führt ganz schnell zu Verdruss. Deswegen: Lass deine Figur authentisch handeln, berichte nicht nur über sie.

photo: ana tavares on unsplash

Komm zum Punkt!

Wer nicht weiß, was er erzählen will, kommt ins Labern. Wenn ich Bandwurmsätze produziere, weiß ich oft eigentlich nicht, was ich sagen will. Entweder ist mir meine Figur nicht klar, oder die Handlung hat Lücken. Ist das der Fall, hilft mir die Schneeflockenmethode von Randy Ingermanson, bei der ich von einer vagen Vorstellung über die Handlung bis zum detaillierten Plotplan gelangen kann. Das ist hilfreich, um klar vor Augen zu haben, warum und aus welchem Mindset eine Figur heraus handelt. Dann kann ich auch wieder auf den Punkt kommen. Oft ist es aber so, dass sich die detaillierte Handlung entwickeln darf, während die Motive und Absichten meiner Figuren für mich von Beginn an sehr klar sind. Aber jeder ist da anders. Man muss es einfach ausprobieren.

Kenne deine Figuren genau!

Was sind ihre Motivation, was ihre Ziele ganz konkret, wo liegen ihre stärksten Konflikte? Und

vor allen Dingen: Wovor haben sie am meisten Angst? Angst ist ein starker Motor, entweder um der Angst zu entkommen, oder ihr entgegenzutreten. Genau das ist es ja, was emotionale Entwicklung ausmacht. Wir stellen uns unseren Ängsten. Würden wir das nicht tun, könnte unsere Entwicklung nur innerhalb der Grenzen, die die Angst uns setzt, stattfinden.

Ja, du bist ein Gefühlslieferant!

Also fühle dich ein, wie du deine Leser erreichst. Schreiben ist nämlich kein einseitiges Spiel. Nutze die verschiedenen Wahrnehmungskanäle der Menschen. Bediene alle! Nicht ständig, aber immer mal wieder:

  • Sehen
  • Hören
  • Fühlen
  • Riechen
  • Schmecken

Wenn ich es gut gemacht habe, gibt es eine Verbindung zu meinem Leser. Er betritt dieselbe Welt, in der ich mich beim Schreiben befunden habe.

photo: hannah grace on unsplash

Schreib!

Ich treffe immer wieder Menschen, die mir erzählen: Ich würde auch so gerne schreiben. Oder malen. Oder tanzen. Aber viele Leute glauben, dass man, um kreativ sein zu können, in ein spezielles Dress schlüpfen, einen speziellen Ort aufsuchen oder auf plötzlich vorhandene Zeit warten müsse.

Das glaube ich nicht. Wir kommen als höchst kreative Wesen zur Welt, die sich ihre Fantasie im Laufe des Lebens sehr erfolgreich abtrainieren. Kinder sind noch ganz unbefangen und ohne irgendeinen Anspruch kreativ. Sie können in ihrem Tun und Handeln versinken. In Coaching-Sprache nennt man das den „Flow“. Wer wirklich versinken kann in einer Tätigkeit, der erlebt zeitlose Moment. Und das ist äußerst gesund. Wenn wir es uns nämlich gestatten, etwas einfach so zu tun, also ohne den Gedanken, nun eine besondere oder gar herausragende Leistung zu erbringen, ist das in unserer Leistungsgesellschaft sehr wohltuend. (Was für viele Leute aber eine echte Herausforderung darstellt und mich notieren lässt, unbedingt mal etwas über den mächtigen „inneren Kritiker“ zu schreiben.)

Es wird keine freie Zeit, kein neues Schreibprogramm und keinen Besuch der Muse geben (ich kenne meine gar nicht). Man muss sich nur hinsetzen und schreiben.

Schreiben ist gesund.

Man muss es nur tun.

Und wenn, dann bitte schön scharf.