Schreibwerkstatt

Schreiben ist ja eigentlich wie Lesen, nur andersherum.

Ich liebe Bücher. Ich lese immer, überall und mindestens zwei Bücher gleichzeitig. Bücher stapeln sich bei mir im Büro. Auf, neben und unter dem Bett, sogar im Auto führe ich Lesestoff mit, falls ich mal im Stau stehe. Bücher sind für mich irgendwie wie Handtaschen, nur unterhaltsamer.

Wenn ich ein gutes Buch lese, ist das für mich ein Eintauchen in eine fremde Welt und somit Balsam für die Seele. Und es gibt viele belletristische Bücher, die ich für therapeutisch wertvoll halte. Weil die Hauptfigur mit Problemen umzugehen vermag, mutig oder gelassen ist und man als Leser von ihr oder ihm lernen kann.

Als ich dann vor acht Jahren selber angefangen habe zu schreiben, war jede neue Seite eine Überraschung, genau wie die Feststellung: Schreiben ist ja eigentlich wie Lesen, nur andersherum!
Es befreit mich, macht mich glücklich und fordert mich heraus. Wir wissen will, wie ich tatsächlich mit dem Schreiben begonnen habe, findet die Antwort auf meinem Blog: Wege zum Schreiben

Unerwartete Inspirations-Schübe

Wie fängt man also nun mit dem Schreiben an? Man wartet auf Inspiration? Bei mir war es so, dass ich von der Inspiration geradezu belästigt wurde. Ständig musste ich mir Notizen machen, weil wieder irgendetwas passiert war, was ich dringen verarbeiten musste. Da dieser Zustand bis heute anhält, wird mir der Stoff wohl nie ausgehen.

Dabei sind diese Inspirations-Schübe manchmal schon fast lästig. Sie kommen nämlich immer dann, wenn man seine ganze Aufmerksamkeit dringend woanders haben sollte. Also außerhalb des eigenen Kopfes. Ein klitzekleiner Fremdreiz reicht manchmal schon aus und mein Gehirn springt einfach so und ohne Vorwarnung in den kreativen Modus. Klingt nur lustig, ist es nicht.
Besagte Fremdreize können aus dicken Katzen, kackenden Tauben oder aus rosafarbenen Akkuschauber mit Plüsch am Griff bestehen.

Ein Beispiel gefällig?

Eine meiner Lieblingsfreundinnen hat sich ein Haus gekauft. Ein altes Haus mit erheblichem Renovierungsbedarf und meine Lieblingsfreundin ist Single, was nichts macht, sie hat ja uns:
die schnelle Eingreiftruppe. Wir haben Wände herausgerissen, Tapeten abgepult und schnell mal gelernt, wie man Parket verlegt. Nun stand der finalen Endspurt an: Der Küchenaufbau! Wir alle lieben den großen schwedischen Möbelhersteller, leider muss man nach einer Bestellung dort immer alles selber zusammenschrauben, aber wir können das.

Die „schnelle Eingreiftruppe“ besteht übrigens ausschließlich aus Frauen. Es gab natürlich in den vergangenen Wochen auch Männer auf der Baustelle. Einige wurden sogar sehr gut bezahlt, leider zeichneten sie sich trotzdem nicht durch umfassende Schaffenskraft aus, sondern irritierten uns ehr durch das bekleckern nagelneuer Klobrillen. Mit Substanzen die da nicht draufgehören. Aber das ist ein anders Thema und soll hier nur am Rande erwähnt werde.
Die Frauen treffen also ein. Pünktlich, wie ich kurz erwähnen möchte. (Männer in Blaumännern erscheinen offenbar nur sehr selten pünktlich. Männer in Arbeitskleidung erwarten wohl eine gewisse Dankbarkeit, dass sie überhaupt erscheinen.)
Und jetzt komme ich endlich zum Punkt, oder besser zum Fremdreiz: Jede Frau betritt die Baustelle und hat folgenden Dinge in der Tasche:

  • Persönliche Arbeitshandschuhe
  • Persönliche Verpflegung (zwischen einer Flasche Wasser und drei Tafeln Schokolade, je nach Veranlagung und Ernährungsgewohnheit)
  • Ihren persönlichen Akku-Schrauber! Jede von uns besitzt nämlich einen. Einer ist zartrosa mit Plüsch am Griff! Das wäre jetzt nicht so mein Fall, aber das Ding lag erstaunlich gut in der Hand.

Und während ich also Schraube 27 mit Rückwand A-12/Eqwe4 verschraubte (das ganze ungefähr 22 Mal), war mein Hirn eifrig damit beschäftig, Geschichten rund um rosafarbene Akkuschrauber zu erfinden. Permanent rief ich den Mädels Stichworte zu, die sie auf Umverpackungskartons notieren musste, weil ich ja im Schrank hockte und Rückwände verschrauben musste. Aus dem Akkuschrauber wurde eine ganze Geschichte und daraus dann ein kompletter Roman. Ich verrate nicht welcher. Vielleicht wisst ihr es aber auch schon?

Protagonisten-Solos oder »Wer sind Sie denn bitte?«

Fast so schwerwiegend wie die Inspirations-Schübe sind die Protagonisten-Solos. Da tauchen dann plötzlich und unerwartet seltsame Wesen in meinen Manuskripten auf, obwohl sie in meiner straffen (ich nutze dieses Wort durchaus ironisch, mehr dazu bald) Projektplanung definitiv nicht vorgesehen waren. Elfenkinder, kreischende Perlhühner oder eben gefallene Engel, wie damals im zweiten Elionore Brevent Roman „Engel lieben gefährlich“.
Diese Figuren erschaffen sich sozusagen selber. Aus dem Nichts. Dabei wäre es eigentlich mein Job, sie mir auszudenken. Offenbar fehlt mir an dieser Stelle irgendein Gen oder die richtige Autorität. Ich schmeiße sie nämlich nie raus. Sie dürfen bleiben.
Stattdessen frage ich höflich (und komme mir dabei durchaus blöd vor): „Bitte, wer sind Sie und was wollen Sie in meinem Buch?“
Der gefallene Engel verriet mir wenigstens seinen Namen: Pax! Pax war also da und nicht sehr gesprächig. Ich musste also erstmal um ihn herumschreiben, bis mich endlich die Erleuchtung heimsuchte, was mit dem Kerl eigentlich los ist. Heute kennen wir sein Geheimnis. Was für ein Glück, dass er aufgetaucht ist!

In anderen Geschichten schlendern Figuren einfach so herbei. „Drei Männer, Küche, Bad“ ist so ein Fall. Damals lautet der interne Arbeitstitel „Das Mini-Mouse-Syndrom“. Die Figur kam, nahm Platz und blieb und ich kannte nur ihren Nachnamen. Schröder. Herr Schröder, also. Er sah gut aus und war ein grundfröhlicher Typ. Traumafrei, ohne böse Vergangenheit, leider auch ohne Vornamen und somit eigentlich ungeeignet für eine Hauptrolle. Egal was ich anstellte, er bekam kein Problem. Dabei braucht er eins.
Figuren müssen leiden. Das ist ihr Job. Es lebe der Konflikt!
Ich sagte ihm: Leide und du kannst mitmachen! Aber er zeigte sich unkooperativ, und siehe da: Es fand sich nicht nur ein Vorname, sondern auch gleich noch ein Problem. Was allerdings beides harte Arbeit war.

Struktur & Planung

Ich habe in den vergangene Jahren eine gewisse Demut dem Schreibprozess gegenüber gelernt. Ich kann mich dumm und dusselige planen, was ich übrigens bei jedem Projekt im Vorfeld immer wieder versuche, aber letztendlich tun ja doch alle was sie wollen.
Lange hat mich das geplagt. Bei Facebook sah ich Kolleginnen, die Bilder posteten, auf denen sie ihren gesamten Plot, jedes einzelne Kapitel, jede Szene vorgeplant auf Karteikarten auf Wäscheleinen hängten, oder sortiert auf dem Boden ihres Büros anordneten. Das ist sicherlich eine Persönlichkeitsfrage, aber da ich es schaffe, meine Schuhe im Haus zu verlieren (richtig weg, nicht nur verlegt), scheint das nichts für mich zu sein.

Vielleicht ist es für mich die Magie, die das Schreiben ausmacht. Dass meine Figuren erst im Laufe des Schreibens ein Eigenleben und damit eine tiefere Persönlichkeitsstruktur entwickeln. Natürlich gibt es gewisse Grenzen, gesetzt durch das Genre oder meine persönlichen Absichten, aber diese Freiheit scheine ich zu brauchen. Offenbar benötigen meine Figuren Raum und Zeit um sich zu entwickeln. Dass dabei manchmal Dinge herauskommen, die ich so nicht geplant hatte, ist mein Problem.
Ich weiß oft nicht, wie meine Figuren sich im nächsten Kapitel verhalten. Ich weiß zwar, wo meine Protagonisten sind und was sie tun sollten, aber was sie dann daraus machen, lässt selbst mich verwirrt aus der Wäsche gucken.